San Vicente de Cañete: Kleinbauern im Andenhochland – Anbau von Medizinalpflanzen

„Juan Carlos wäre womöglich noch ein Taxifahrer mehr in der Großstadt Lima“, erklärt sein Vater. „Oder er stünde als Bauarbeiter Schlange um eine Job-Chance. Aber der Zufall hat ihn an die Tür von Valle Grande gebracht. Und jetzt ist er Agrartechniker, arbeitet in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Huarál. Er schmeißt einen 30-Hektar-Hof und verdient einen vernünftigen Lohn. Und vor allem: Er tut etwas, was ihm Spaß macht.“

 

Valle Grande ist ein Institut für landwirtschaftliche Entwicklung in San Vicente de Cañete in Peru, 150 km südlich von Lima. Es fördert die Kleinbauern an der Küste der Provinz Cañete und im Andenhochland der Provinz Yauyos. Wie Condoray, das benachbarte Zentrum für Frauenbildung und Dorfentwicklung, gehört Valle Grande zur Partnerorganisation PROSIP (Promotora de Obras Sociales y de Instrucción Popular) in Lima, mit der RDS seit 1988 zusammenarbeitet.

 

Bei dem Kooperationsprojekt mit Valle Grande (2004-06) ging es um die armen Kleinbauern in den Anden-Hochgebirgs-Tälern. Traditionell wurden Kartoffeln, Oca (kartoffelähnliche Knolle), Mais und Bohnen für den Eigenverbrauch angebaut: im Hochland mit den planen Terassen-Flächen von allenfalls 1 Hektar ein mühsames Geschäft. Konkurrenzfähig ohnehin nicht. Im Hochland haben 46% der Menschen weder Wasseranschluß noch Abwasserentsorgung noch Strom. 48% holen ihr Wasser aus dem Fluß, einer Quelle oder einem Kanal. Kein Zugang zu einem Gesundheitsdienst; 58% unterernährte Kinder; Kindersterblichkeit 76 von Tausend Lebendgeborenen; ständige Abwanderung in die Küstenregion. Schon 1993 standen 38% der Lehmhütten leer. Das Landwirtschaftliche Institut Valle Grande betreibt seit 1997 ein wissenschaftliches Studium über die in den Gebirgszonen wild wachsenden Pflanzen. Durch mündliche Überlieferung in den Familien sind viele als Medizinalpflanzen, Heilkräuter, Gewürzkräuter noch bekannt. Die Wissensübermittlung reicht Jahrhunderte, ja bis in die Inkazeit zurück. Weil das Projekt solch tradiertes Wissen sammelt, war das Projekt auch kulturell interessant.

 

Der Wirkungsbereich von Valle Grande erstreckt sich bis in die Höhen von 5.900 Meter der Andenprovinz Yauyos (28.000 Einwohner; zu 70% Kleinbauernfamilien). In den Höhenlagen zwischen 2.800 und 4.800 Meter haben die Familien weniger als 1 Hektar Fläche und kommen jährlich auf nicht einmal 1.000 Dollar. Weniger als 3 Dollar täglich für 6 Personen - extreme Armut.

 

Seit die Terroraktivitäten des Sendero Luminoso der 1980er Jahre in der Bergregion zur Ruhe gekommen sind, gibt es in Valle Grande ein eigenes „Programa Sierra“ (Gebirgsprogramm) für die Bergbauern mit den spezifischen Sparten Anbau von Medizinal- und Gewürzpflanzen und Tierhaltung. Das Programm umfaßt wissenschaftliche Vorarbeit, Ausbildung theoretisch wie praktisch, und Öffentlichkeitsarbeit. Die Programmlinie Medizinal-pflanzen war 1997 noch Neuland. Vor Projektbeginn 2004 waren die Ökotechniken zum Anbau der nach Marktchancen ausgewählten Pflanzen bereits entwickelt.
Durchführung des Projekts:
Nach einer Testphase unter Beteiligung von 56 Kleinbauern stellten 182 Familien in 11 Bergdörfern ihren Feldanbau auf Medizinal- und Gewürzpflanzen um oder arbeiteten in der kontrollierten 3-monatlichen Ernte wild wachsender Pflanzen. Andere besorgten die Erstverarbeitung (trocknen, zerkleinern, verpacken, an die Sammelstelle liefern) oder kümmerten sich um die neuen (Gemeinschafts-) Anlagen. Lehrkräfte des Instituts Valle Grande leisteten die regelmäßigen Unterrichte, begleiteten laufend die Feldversuche und beriefen – mit Unterstützung der Gemeindeleitungen und Vereinigungen – örtliche und überörtliche Versammlungen ein zum Austausch von Erfahrungen und Ergebnissen sowie von Anforderungen an die Qualität der Endprodukte zu deren Vermarktung. Erste Abnehmer sind die Menschen vor Ort. Da die Bergbevölkerung so gut wie keinerlei Zugang zu moderner medizinischer Versorgung hat, ist die Belebung der traditionellen Heilmethoden zuerst für sie selbst von Bedeutung.

 

Abgesehen von Planung, Ausbildung und Aufsicht oblag Valle Grande die Aufgabe einer breit gestreuten Aufklärung über die Naturheilmittel, zuerst in der örtlichen Bevölkerung – durch Vorführungen in Versammlungen, durch Broschüren, usw. - später auch in weiteren Kreisen potentieller Abnehmer. Hinzu kam die Förderung unternehmerischen Denkens und der Selbstorganisation unter den Bauern sowie die Vermittlung von Kleinkrediten, mit denen diese das Saatgut kaufen und andere Startkosten decken. Aus dem Ernteerlös zahlen sie mit zumutbaren Zins zurück. Frauen und Männer nahmen gleichermaßen an den Projektarbeiten teil. Während der Projektlaufzeit stiegen die Familieneinkommen um 20 Prozent.

 

Zum Projekt gehörten aber auch Maßnahmen zur Standardisierung, Zertifizierung und marktgerechten Verarbeitung und Präsentation der Produkte sowie Verhandlungen zur nationalen und internationalen Vermarktung.

 

Zu den Aufwandspositionen des Projekts gehörten Anschaffungen von Werkzeug und Gerät einschließlich eines Motorrads, Ausgaben für Büro, Labor, didaktisches Material, Personen- und Material- transport im Projektgebiet, Fahrt- und Verpflegungskosten der Kleinbauern bei Kursen und Studien-besuchen, ein Fonds für Kleinkredite sowie Personalkosten (Projektleiter, Sekretärin, 7 landwirtschaftliche Fach- und Lehrkräfte und Vergütung einiger Dienstleistungen von Kleinbauern). Die Kosten des – vom Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mitfinanzierten - Projekts beliefen sich auf insgesamt rd. Euro 195.000.


Finanzierung:
Valle Grande  25.000,- EUR
BMZ               134.000,- EUR
RDS                 36.000,- EUR
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                       195.000,- EUR